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Die Gedanken sind frei – gewesen.

Als die Vogelgrippe weltweit das schaffte, was heute der IS und andere Terrortruppen schaffen, nämlich der gefühlte globale Angstfaktor Nummer Eins zu sein, war ich mit einer Gruppe Reisejournalisten in China. An der Grenze standen chinesische Zöllner mit kleinen Fiebermess-Pistolen. Jedem Ankömmling im Reich der Mitte zielten sie damit auf die Stirn.

Das sah aus, als habe ein Scharfschütze auf einen Verbrecher zum „finalen Rettungsschuss“ angelegt, galt aber der Messung der Körpertemperatur der Besucher. Zum Glück war das eine Zeit, als Journalisten noch wohlgenährt, geachtet und entsprechend gesund waren. Ich weiß nicht, was passiert wäre, hätte einer von uns tatsächlich Fieber gehabt. Deswegen konnten wir uns vorsichtig amüsieren, vor allem mit der großen größten Frau unser Reisegruppe, die ausgerechnet den kleinen kleinsten Beamten vor sich hatte. Sie musste sich sehr tief bücken, damit der Kleine mit seinem Pistölchen auf ihre Stirn in luftiger Höhe zielen könnte. Alle lachten – außer dem Zöllner.

Die Situation war reich an Komik, hätte in einem straff geführten Staat wie China aber auch anders ausgehen können. Wer Nachrichten verfolgt, weiß, dass Begegnungen mit der Staatsmacht in China oft genug tatsächlich anders ausgehen.

Das mit der Vogelgrippe ist schon eine Weile her. Mittlerweile ist die Technik viel weiter, China hat sein Social Scoring eingeführt, über das ich schon vor Jahren geschrieben habe: „Die Dosis macht das Gift„. Ob wohl als nächstes die flächendeckende Gesichtserkennung kommt? Und dann die Hirnstrommessung?

Wir wissen, wenn wir es denn wissen wollen, dass das keine Science-Finction ist. Es gibt heute schon handliche Geräte, die aussehen wie ein gerupfter Fahrradhelm, die messen unser Hirn, EEG to go sozusagen. Und diese Technologie ist in Messung und vor allem Auswertung der Messungen schon so weit, dass sie recht sicher vorhersagen kann, in welcher Stimmung sich der Proband gerade befindet. Damit nicht genug, gelingt es mit dieser frei verfügbaren Technologie bereits, einfache Wörter zu erkennen.

Diese Maschine kann menschliche Gedanken lesen.

Das ist technologisch gesehen keine Überraschung, denn die Aktivität unseres Hirns löst elektrische Impulse aus. Die können wir messen und Muster erkennen. Die Erkennungsrate wird sich bald stark verbessern, weil sich einerseits die Rechenleistung weiterhin exponentiell steigert und andererseits lernende Maschinen in der Mustererkennung immer besser werden.

Was bedeutet es also, wenn an einem chinesischen Flughafen die Zöllner bei den Ankömmlingen nicht die Körpertemperatur, sondern die Hirnströme messen? Und was, wenn einer der so Vermessenen nicht 39,5 Grad Körpertemperatur hat, sondern Gedanken, die die Gemüter der Beamten erhitzen? „Kommunismus ist doof“ beispielsweise, „Elvis lebt“ oder „Hoffentlich finden sie die Festplatte in meinem Koffer nicht“. Nicht lustig. Gar nicht lustig.

Geht uns nichts an, weil wir in einem feien Land leben? Vielleicht. Doch was ist, wenn Kinder in Ikeas Kinderparadies zurückgewiesen werden, weil der Hirnscanner erkennt, dass ihre Eltern nur mal in Ruhe einen Kaffee im Restaurant trinken möchten? Was ist, wenn der Steuerprüfer direkt nach dem gezinkten Beleg fragt? Was, wenn die junge Frau die Beförderung nicht bekommt, weil sie schwanger ist, was in der Firma noch niemand wissen sollte? Was, wenn dich die Polizei verhaftet, weil du dir in Gedanken ausgemalt hast, wie du den Trödler auf der linken Spur übel zurichtest? Wenn das mal funktioniert, ist in Frankfurt das halbe Fußballstadion leer, in Kaiserslautern das ganze.

Wir müssen ja schon heute um unsere Meinungsfreiheit fürchten, auch in unseren Breitengraden. Populisten werden vielerorts mächtig und übermächtig, durch unsere Gesellschaft ziehen sich immer tiefere Gräben. Oder wer bitteschön hätte für möglich gehalten, das der Spiegel über ein amtierendes Staatsoberhaupt der westlichen Welt solche Zeilen schreibt und wir dennoch fürchten müssen, dass der, über den geschrieben wird, noch viel zu lange in Amt und Würden bleiben wird: „Wer im Weißen Haus arbeitet, braucht teure Anwälte, da alles, was dort geschieht, Beweismaterial ist – nicht nur für Russland-Sonderermittler Robert Mueller, sondern für etliche andere Verfahren.“

Meinungsfreiheit bedeutet ja auch Fähigkeit zum Diskurs mit Menschen, die zulässigerweise anderer Meinung sind. Doch Neuzeit-Monster wie Trump, Facebook und Pegida zerfressen unsere Debattenkultur bis zur Unkenntlichkeit, spucken darauf und lassen unverdaut stinkend ihren geistigen Müll zurück, der unsere Zivilisation bis ins Mark beleidigt, gefährdet, zerstört.

Dabei haben wir immer noch die freie Entscheidung, unsere Gedanken bei uns zu halten, diplomatisch zu bleiben und zu lügen, wenn es notwendig erscheint.

Das ist vorbei, wenn unsere Hirne gescannt werden. Während absolutistische Herrscher, Populisten und andere Widerlinge an der Meinungsfreiheit zündeln, gerät die Freiheit der Gedanken in Gefahr.

Gerade wird in Deutschland wieder viel diskutiert, wann menschliches Leben anfängt und wer wie lange das Recht haben soll, es zu beenden, bevor es richtig begonnen hat. Doch wir müssen auch darüber nachdenken, was eine menschliche Existenz ausmacht, wo sie endet, wo sie nicht enden darf und wen das etwas angeht.

Spätestens seit J.R. Oppenheimer und „seiner“ Atombombe wissen wir schließlich, dass alles, was möglich ist, auch gemacht werden wird. Höchste Zeit also, darüber nachzudenken, wie wir mit den vorhandenen und anstehenden Errungenschaften der Bio- und Informationstechnologie umgehen wollen. Vielleicht sprechen wir mal mit vorausschauenden Politikern, von denen die allermeisten – so fürchte ich – nicht im Ansatz begreifen, worum es gerade geht, was da auf uns zukommt, was schon längst da ist. Doch wir brauchen Menschen in Verantwortung, die nicht abwiegeln, dass „jede Milchkanne“ mit schnellem Netz versorgt werden will und denen bei „künstlicher Intelligenz“ mehr als ein pfundiger Bierrausch mit debilen Fürstinnen einfällt.

Wir könnten auch einfach alles verbieten und aussperren. So wie Trump die Einwanderer mit Stacheldraht aussperrt, damit sie keinem US-Bürger den Job wegnehmen, gleichzeitig aber nie gekannte Automation mehr Arbeitsplätze vernichtet als der Präsident Lügen twittert. Oder wir machen es wie die Ägypter, die den Verkauf von gelben Warnwesten verboten haben, damit keine Proteste aufkeimen. Ein Ansatz, der womöglich auch den Franzosen gut zu Gesichte stünde. Ich bin gespannt, wie das bei der Tour de France 2019 wird, wenn der Staatsschutz den Träger des gelben Trikots vom Rad holt.

Ich bin Guido Augustin, Speaker und Bestsellerautor, dies ist Guidos Wochenpost. 

✅ WEIHNACHTS-ALARM! Na, schon alle Weihnachtsgeschenke beisammen – oder gibt es da noch die ein oder andere Lücke? Da könnte ich helfen, denn als Autor hätte ich handsignierte und persönlich gewidmete Bücher – noch dazu lesenswert – im Angebot. Wer mein neus Werk, „Kennst du es nur oder kannst du es auch?“ direkt bestellt, bekommt eine E-Mail mit der Frage nach Widmung. Bis kommende Woche Donnerstag verschickt, sollte das noch passen mit der festgerechten Zustellung … also los!

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