Der Zwischenraum.
Er ist unscheinbar, meist unsichtbar. Viele bemerken ihn gar nicht und gehen über ihn hinweg, als wäre er nicht da. Künstler, spirituelle Führer und große Denker nutzen ihn für ihre besten Erkenntnisse. Er hat keine Lobby und kann doch unsere Welt retten: Der Zwischenraum.
Zwischen einem Zustand und einem anderen ist nicht nichts. Zwischen Schwarz und Weiß gibt es die tollsten Schattierungen, zwischen Tag und Nacht gibt es eine wunderbare Zeit, die verschiedene Bezeichnungen hat: Es dämmert, ist die blaue Stunde, in Zwielicht getaucht, Pfälzer sagen „es dormelt“ und die Bauern kehren in ihr Bauernhaus zurück. Es ist die Zeit zwischen Wirklichkeit und Möglichkeit. Wo das eine noch nicht aufgehört hat und das andere erst zaghaft beginnt, passiert unendliches, geschehen Wunder, verändert sich alles.
Maler, Komponisten, Dichter nutzen die Phase zwischen Wachsein und Schlaf für ihre Kreationen. Im Grunde führt uns ja die Meditation in dieses Wunderland, wo erstmal alles möglich und erlaubt ist, wo unser Verstand nicht begrenzt. Wie herrlich ist dieses sanfte Aufwachen, wo unsere Tageslichtsinne noch nicht ganz aktiv sind und wir zwischen Traum und Wirklichkeit wanken. Viele Menschen haben Notizzettel oder ein Aufnahmegerät am Bett, um Gedanken dieser Momente festzuhalten.
Denn der Zwischenraum ist so fein, dass er sich unserer Erinnerung entzieht, wenn wir uns seiner nicht bewusst werden.
So lange es Menschen gibt, gibt es Berichte über so genannte Nahtod-Erfahrungen, wo Menschen nicht mehr lebten, oder nach Ansicht der Mediziner nicht mehr am Leben sein konnten. Und dennoch öffneten sie wieder die Augen und standen von ihrem Totenbett auf. Im Zwischenraum zwischen Leben und Tod sahen, spürten, erlebten sie, was uns unglaublich erscheint – und was wir deswegen irgendwie naturwissenschaftlich aufzulösen versuchen.
Ein Freund von mir arbeitet an einem Konzept, das spannender nicht sein könnte: Es geht ihm um den Zwischenraum zwischen Frage und Antwort. Ich darf davon berichten, denn niemand anders als er wird in der Lage sein, den Ansatz zum begeisternden Ergebnis zu bringen. Im Grunde entsteht dabei eine neue Kommunikationstheorie mit äußerst praktischen Auswirkungen, einmal erkannt und angewandt.
Denn nur zu oft reagieren wir schnell, impulsiv und ohne jede Korrekturschleife auf unsere Mitmenschen. Das führt mitunter zu Katastrophen, je nach Wirkungsgrad der sich Begegnenden zu kleinen Missverständnissen, Ehekrisen und Völkerkriegen. Die spannende Frage lautet nämlich: Was steckt in dem kleinen Zwischenraum zwischen Frage und Antwort? Konkret sind es drei Fragen, die jede einen neuen Zwischenraum aufstoßen.
Es geht ganz einfach los: Was ist denn eigentlich das Problem, besser noch: Was ist das eigentliche Problem. Dann rast der Aufzug nach unten, auf der Suche, welches Motiv, welche Entwicklung, welche Emotion wohl hinter der Frage in ihrem Schutz nicht gesehen werden will. Und schließlich gilt es, die Haben-Seite zu finden und zu inventarisieren, also zu erfassen, welche Ressourcen bei den Gesprächspartnern vorhanden und für beide gut für eine Lösung sind.
Das klingt kompliziert, ist es auch. Doch lässt sich der Weg durch die daraus entstehende Matrix mit Zeit und Übung systematisieren, ins Vegetative abspeichern und mühelos aufrufen wie Kaffee kochen, im Takt wippen und Auto fahren. Somit hat dieser Wegweiser in den Zwischenraum das Potenzial, unser Miteinander leichter, schöner und friedlicher zu machen, mithin Kriege zu beenden und die Menschheit vor dem Untergang zu bewahren.
(Liegt die Latte jetzt hoch genug, mein Freund?)
Der Zwischenraum ist unscheinbar, meist unsichtbar. Und doch ist er jenseits der oberflächlich erkennbaren Dimension unendlich weit, unendlich tief und unendlich schön. Es lohnt sich, ihn zu entdecken.
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