Es hat alles geklappt – ab sofort schicke ich Dir als Erstes jeden Sonntag zum Frühstück (genau: um 8 Uhr) meine aktuelle Kolumne, klare Gedanken für Dein besseres Leben. Erst viel später erscheinen diese Geschichten dann auf den anderen Plattformen wie dem Podcast, Drittplattformen, auf Lesungen usw.

Hier unten ⬇️⬇️⬇️gibt es gleich eine Kolumne, nicht neu, aber aktuell. Viel Spaß beim Lesen!

Unser Land – unsere Regeln.

Im schneller werdenden Strudel völkischer Debatten zwischen Leitkultur, Überfremdung und Heimatschutzzwerg Seehofer gehen unsere Regeln verloren. Das darf nicht sein, denn dann gehen wir verloren.

Die angst- und hasserfüllten Verführten menschenfeindlicher Hetze kleben es sich in ihrer Machtlosigkeit auf die Heckscheiben ihrer japanischen Billigkombis: „Unser Land, unsere Regeln“. Es sind jene Machtlosen, die sich in kleinen und großen Trupps, gestaffelt nach Blutgruppe, mehr und mehr wagen, ihr hässliches Gesicht zu zeigen und allen Andersdenkenden mit dem Verweis auf den blitzartig herannahenden Zeitpunkt drohen, zu dem sie und ihresgleichen die Macht übernähmen. Ist ein bisschen wie das hilflose „warte, bis der Papa heimkommt“. Nur dass diese Dumpfbacken nicht begreifen, dass dieser Papa, auf den sie da hoffnungsschwanger und babysabbernd warten, kein liebender Vater ist und als allerletztes daran denken wird, jenen bedauernswerten Gestalten aus ihrem Trübsal ins Licht zu helfen.

Sie machen noch weitere schwere Denkfehler, jene „Unser Land“-Proklamierer. Das geht mit der Definition von „unser Land“ los. Sie leben im hier und jetzt, was ja ganz in Ordnung ist, jedoch nur so lange, wie ich nicht den Weg, der mich in dieses hier und jetzt geführt hat, vergesse, verleugne.

Aufgrund der geografisch gesehen zentralen Lage dieses unseres Landes sind hier seit Jahrtausenden Völker durchgezogen und haben mehr als verbrannte Dörfer, leere Filmdosen und schmutzige Luft hinterlassen. Sie haben sich mit jenen Menschen vermischt, die sie antrafen – und einmal mehr sei der wunderbare Carl Zuckmayer zitiert, der in „Des Teufels General“ den Harras, zwar auf die Menschen am Rhein bezogen, doch schön übertragbar, also jenen General Harras weintrunken heilende Sätze meißeln lässt:

Vom Rhein — noch dazu. Vom Rhein.
Von der großen Völkermühle. Von der Kelter Europas!

Und jetzt stellen Sie sich doch mal Ihre Ahnenreihe vor — seit Christi Geburt.
Da war ein römischer Feldhauptmann, ein schwarzer Kerl, braun wie ne reife Olive, der hat einem blonden Mädchen Latein beigebracht.

Und dann kam ein jüdischer Gewürzhändler in die Familie, das war ein ernster Mensch,
der ist noch vor der Heirat Christ geworden und hat die katholische Haustradition begründet.

Und dann kam ein griechischer Arzt dazu,
oder ein keltischer Legionär,
ein Graubündner Landsknecht,
ein schwedischer Reiter,
ein Soldat Napoleons,
ein desertierter Kosak,
ein Schwarzwälder Flözer,
ein wandernder Müllerbursch vom Elsaß,
ein dicker Schiffer aus Holland,
ein Magyar, ein Pandur,
ein Offizier aus Wien,
ein französischer Schauspieler,
ein böhmischer Musikant
— das hat alles am Rhein gelebt, gerauft, gesoffen und gesungen und Kinder gezeugt

und der Goethe, der kam aus demselben Topf,
und der Beethoven
und der Gutenberg,
und der Matthias Grünewald
und — ach was, schau im Lexikon nach.
Es waren die Besten, mein Lieber!
Die Besten der Welt!

Und warum?
Weil sich die Völker dort vermischt haben.
Vermischt – wie die Wasser aus Quellen und Bächen und Flüssen, damit sie zu einem großen, lebendigen Strom zusammenrinnen.
Vom Rhein – das heißt: vom Abendland. Das ist natürlicher Adel.

Das ist Rasse.

Seien Sie stolz darauf, Hartmann —
und hängen Sie die Papiere Ihrer Großmutter in den Abtritt.

Prost!

Wessen sollte also bitteschön dieses „unser Land“ sein? Und selbst wenn die heutige Breite unserer Gesellschaft mit ihrer zu den Außen driftenden Tendenz der legitime Besitzer dieses Landes sein sollte, so stimmt doch die Reihenfolge der Wutphrase nicht. Es darf nicht „Unser Land – unsere Regeln“ heißen, sonders anders herum: „Unsere Regeln – unser Land“.

Denn wo immer Menschen erfolgreich miteinander gelebt haben, wo Frieden herrschte, wo Kinder unbeschwert aufwachsen durften – überall dort ging das alleine deshalb, weil die Menschen Wertegemeinschaften gebildet haben. Sie haben sich zu gemeinsamen Werten bekannt und Regeln geformt, die ihnen helfen sollten, diese Werte zu sichern.

Fangen wir mit den zehn Geboten an, die Gott aus dem brennenden Dornbusch dem Moses diktierte.

Oder unser Grundgesetz, nach einer nie dagewesenen Feuersbrunst niedergeschrieben von schlauen Köpfen, um der „Nie wieder!“-Stimmung jener Zeit schwarz auf weiß Ausdruck zu verleihen. Ja, das sind unsere Regeln und daraus wurden viele weitere abgeleitet. Zu unserem Land kann nur gehören und sich darauf nur berufen, wer sich an diese Regeln hält.

Doch Achtung, ihr selbsternannten Hüter völkischen Reinheitsgebots, die ihr euch jetzt vielleicht bestärkt wähnt: Das Grundgesetz garantiert den Menschen Religionsfreiheit. Das Grundgesetz gilt jedoch nicht nur für Deutsche und die Religionsfreiheit gilt nicht nur für Christen – sondern für alle Menschen und alle Religionen.

Das sind unsere Regeln und unser Land definiert sich durch die Werte hinter diesen Regeln und die Einhaltung dieser Regeln. Wo der Staat nicht mehr in der Lage ist, diese Regeln durchzusetzen, beispielsweise im Ultra-Block des HSV und manchen Straßenzügen Berlins, wird es kritisch. Doch das ist beileibe kein Grund, die Regeln zu ändern. Im Gegenteil. Das wäre ja, als würde man wegen einer Wahlkampflüge die Meinungsfreiheit abschaffen wollen.

Wie ein Land sich wandelt über die Zeitläufte, so wandeln sich auch die Regeln. Erinnert sei hier nur an die Macht der Gewerkschaften, Maßnahmen zum Schutz unseres Planeten und indiskutable Rechte von Kindern. Gab es nicht immer – finden wir heute gut.

Wenn sich das Land ändert, ändern sich auch die Regeln. Doch das geschehe langsam und mit Bedacht. Aus gutem Grund gibt es hohe Hürden für Änderungen am Grundgesetz. Denn ändern sich die Regeln, ändert sich das Land. Und das schon mal schneller, als es einem vernünftigen Menschen lieb sein kann.

Die braune Kaste änderte vor über 80 Jahren hier zu Lande die Regeln, die Masse folgte, völkte, verbannte, verbrannte, Glaube, Liebe, Hoffnung, dahin, in Schutt und Asche.

Im schneller werdenden Strudel völkischer Debatten zwischen Leitkultur, Überfremdung und Heimatschutzzwerg Seehofer gehen unsere Regeln verloren. Das darf nicht sein, denn dann gehen wir verloren.