Hier diesen Artikel teilen!
[DISPLAY_ULTIMATE_PLUS]
Kaufe keinen Kasten Bier, sondern Benzin für dein Auto und du wirst morgen weiter fahren können. Wer mag da widersprechen? Manche Investitionen erschließen sich uns sofort, andere nicht. Dabei ist die Mechanik immer die gleiche.
Es beginnt immer mit einem Verzicht. Der kann wehtun oder leicht fallen, doch es bleibt ein Verzicht – oder ein gewonnener Kampf gegen eine verlockende Alternative, die leichter aussieht, die weniger kostet, die besser schmeckt. Nimm die Süßigkeit jetzt oder erhalte später zwei davon. In dieser einfachen Anleitung steckt das Grundprinzip der Belohnungsaufschubs. Widerstehe der Versuchung und du wirst morgen glücklicher sein.
Es gibt dieses legendäre psychologische Experiment mit kleinen Kindern aus den 60ern, das als Marshmallow-Experiment in die Literatur eingegangen ist. Nimm die Süßigkeit jetzt oder erhalte später zwei davon, hieß es auch da – und zwar wörtlich: Kinder bekamen einen Marshmallow vorgesetzt und standen damit vor einer folgenschweren Entscheidung: Entweder den Snack aufessen, dann ist er eben weg. Oder ihn liegen lassen, bis der Versuchsleiter nach 15 Minuten zurück kommt – dann gibt es als Belohnung einen zweiten. Eine echte Herausforderung für die Impulskontrolle eines Kindes.
Und für uns? (Regieanweisung: Erlkönigstimme) „Junger Freund, säuselt Facebook, verbringe doch noch ein wenig Zeit mit mir, nur noch einen Klick, nur noch ein kleines Video, nur noch einmal die Timeline checken – die Hausaufgaben kannst du auch später machen.“ – „Junge Frau, übertreibe es doch nicht mit dem Eifer für das 2-Tages-Seminar, so ein Aperol Sprizz geht doch noch, oder? Ist so schöne Luft draußen, alle feiern noch, da musst du doch nicht als Erste aufs Zimmer, um morgentopfit zu sein! Mittelfit reicht doch allemal, außerdem kannst du im Skript später ja alles nachlesen, also Prost!“ – „Hey, du da, ja du, willst du dein Gehalt wirklich sparen wie der Cordhut-Opa mit der Monatskarte? Du könntest dir doch auch diesen chicen Roadster gönnen, gerade mal 394 Euro im Monat und du bist endlich wer, magst du?“
Das Leben ist voller Verlockungen und allzu oft erliegen wir diesen, auch wenn wir wissen, dass die andere Wahl langfristig die bessere gewesen wäre.
Das Marschmallow-Experiment war mit der ersten Veröffentlichung 1972 nicht zu Ende. Die Wissenschaftler befragten und untersuchten „ihre Kinder“ immer wieder – 40 Jahre lang. Jene Kinder, die in der Erststudie der Verlockung des einen Marschmallow widerstanden und so einen zweiten gewannen, waren in praktisch allen Disziplinen erfolgreicher und besser als jene, die es keine 15 Minuten aushielten und den einen Marshmallow aufaßen.
Erfolgreicher war, wer die Taube auf dem Dach dem Spatz in der Hand vorgezogen hatte. Tja, der Volksmund. Wer hat diesen Spruch wohl erfunden?
Nun hat die Entscheidung in einem Labor in Stanford zwischen dem einen schnellen und den beiden sicheren Marshmallows sicher nicht die Weichen gestellt für ein mehr oder weniger erfolgreiches Leben. Aber das Ergebnis war eindeutig: Kinder, die beherrschten, was die Psychologen Belohnungsaufschub nennen, kamen im Leben besser zurecht.
Ist das nun eine Frage der Disposition, der Sozialisation oder schlicht der Gene? Forscher fanden heraus, dass wir ganz einfach an uns arbeiten können. Sie kamen darauf, als sie das berühmte Experiment wiederholten – jedoch mit einer bedeutungsvollen Variante.
Diesmal teilte sie die Teilnehmer in zwei Gruppen: Die eine wurde mit positiven Vorerfahrungen konditioniert, die andere mit negativen: Die einen bekamen eine kleine Packung Stifte, verbunden mit dem Versprechen, eine größere Packung zu bekommen – was sie nie bekamen. Sie bekamen Aufkleber, verbunden mit dem Versprechen, noch mehr Aufkleber zu bekommen – was sie nie bekamen.
Bei den anderen dagegen hielten die Versuchsleiter Wort: Sie bekamen mehr Stifte und mehr Aufkleber. Bei dem anschließenden Marshmallow-Test konnten diese Kinder vier Mal besser auf die größere Belohnung warten als jene Kinder, die vorher enttäuscht worden waren.
Wenn wir also die Kraft steigern wollen, konsequent den zunächst schwereren Weg zu gehen, weil er uns mittel- bis langfristig auf die saftigsten Weiden führt, können wir das trainieren. Der Belohnungsaufschub-Muskel wächst, wenn er lernt, dass Versprechen eingehalten werden.
# Wenn wir abnehmen wollen, sollten wir uns vorher mit Maßband und Waage akkurat vermessen, um Fortschritte wirklich zu erkennen und um nicht an der Unzulänglichkeit der eigenen Wahrnehmung zu scheitern.
# Was immer wir vorhaben, wir sollten es in kleine Schritte zerlegen, um schnell Erfolge zu haben. Das funktioniert am besten, wenn die Etappen nicht zu lange sind.
# Wenn wir ein System finden, mit dem wir unser Ziel erreichen wollen, fällt es leichter, diesem System zu folgen, als das riesige Ziel vor Augen zu haben.
# Es war immer schon eine gute Idee, in Momenten der Stärke die Versuchung zu erschweren, Also sprichwörtlich in ein Porzellanschwein ohne Schlüssel zu sparen, so dass, wer da wieder ran will, die Hürde nehmen muss, das arme Tier zu schlachten.
# Soziale Kontrolle hilft – sei es ein zuverlässiger Rechenschaftspartner, sei es die Veröffentlichung der eigenen Maßnahmen.
Einmal in die Mechanik eingedacht und verstanden, wie sie funktioniert, wie sie uns austrickst, können wir Wege finden, schlauer zu sein und so mit vielen kleinen Schritten Belohnungsaufschubmeister werden. Denn es bleibt dabei: Der Preis für Erfolg muss immer im Voraus bezahlt werden.
Hier diesen Artikel teilen!
[DISPLAY_ULTIMATE_PLUS]