Hier diesen Artikel teilen!
[DISPLAY_ULTIMATE_PLUS]

 

 

Der Traum vom Fliegen.

Ich hatte einen Traum, der war so unfassbar schön, dass er bestimmt nie wiederkehrt. Ich träumte des Nachts, dass ich mir das Gesicht und die Hände blau anmalte. Dann kam plötzlich Wind auf, immer stärker wurde er und hob mich bald empor – ich flog und stieg immer höher in den unendlichen blauen Himmel.

Und so flog ich und sang durch das unendliche Blau, selbst blau bemalt, so glücklich, dort oben zu sein.

Ich stieg in meinem Glück immer höher hinauf, flog zur Sonne und weiter, während unsere Erde immer kleiner wurde und schließlich nicht mehr zu sehen war. Eine wundersüße Musik spielte nur für mich.

Und so flog ich und sang durch das unendliche Blau, selbst blau bemalt, so glücklich, dort oben zu sein.

Doch alle Träume verschwinden im Morgengrauen. Sobald die Sonne aufgeht, trägt sie der Mond mit sich fort – doch ich sehe deine wundervollen Augen und träume einfach weiter, denn deine Augen sind so schön wie die Sterne am Firmament.

Und so flog ich und sang durch das unendliche Blau, selbst blau bemalt, so glücklich, bei dir zu sein.

Ein schöner Traum vom Fliegen und von der Liebe – wer hat ihn erkannt? Es ist der Text des italienischen Schlagers „Nel blu, dipinto di blu“, besser bekannt unter „Volare“, mit dem Domenico Modugno in den späten 50ern des vorigen Jahrhunderts Furore machte – genau: 1958, das wird noch wichtig. Er gewann das Festival von San Remo und holte im Jahr darauf beim Eurovision Song Contest den dritten Platz nach Italien. Weil ich keine schöne Übersetzung finden konnte, war ich so frei, ich bin ja schließlich Romanist und weiß, wo die Zitronen blühen.

Auf das alte Lied war ich gekommen, weil Fiat eine Sonderedition des 500 Cabrio aufgelegt hat, die „Spiaggina 1958“ (Achtung, in Italien sind Autos immer weiblich!). Sie erinnert an das Original aus eben diesem Jahr, jenem Jahr, in dem auch das Lied veröffentlicht wurde. Als poetische Reminiszenz daran hat Fiat den wunderschönen Wagen in einem besonderen Blau lackiert, das auf den lyrischen Titel „Volare Blu“ hört.

Ich hatte mich sofort in dieses Auto verliebt, das nur 1.958 Mal gebaut wurde – und jetzt steht er vor meinem Haus. Weil es so schön zusammenpasst, habe ich seither „Nel blu …“ gefühlte 1.958 Mal gehört – von Domenico Modugno selbst, von den Gipsy Kings, von Gianna Nannini, von Luciano Pavarotti, von David Bowie, von Dean Martin, von Captain Jack, von Oscar Peterson und ein paar namenlosen DJs.

Doch die allerschönste Version ist jene aus dem kleinen Fiat-Werbefilm, der in Vieste gedreht wurde. Es beginnt mit einem Klarinetten-Intro, dann setzt eine Mädchen-Stimme ein, bei der ich jedesmal Gänsehaut bekomme. Ich habe den Film mit der Spiaggina nur auf Facebook gefunden. Es gibt jedoch eine Variante, zwei Jahre älter, die den Fiat 500X mit dem gleichen Lied bewirbt.

Na und was ist denn jetzt die Botschaft des wunderschönen Liedes, der wunderschönen Spiaggina, dieser Kolumne? Denn ohne Botschaft geht es nicht, schließlich hat mir eine Leserin einmal sehr verblümt mit Kündigung gedroht, weil ich sie bei einer Kolumne ohne Quintessenz und Lösung zurückgelassen hatte. Das passiert mir nie wieder.

Die Botschaft ist einfach: Wir gehen oft an den schönen Dingen des Lebens vorbei und nehmen sie gar nicht mehr wahr. So wie ich selbstverständlich dieses „Volare“ kannte – doch mir nie die Mühe gemacht hatte, wirklich zuzuhören, was der wundervolle Text für einen schönen Traum erzählt. So wie wir das Dach unseres Autos zu selten aufmachen, um die frische Luft und den Duft des Waldes zu genießen. So wie wir unserem Streben nach Mehr allzu oft das Schöne opfern und Weniger bekommen.

Manchmal wäre es doch einfach schön, sich das Gesicht und die Hände blau anzumalen und vom Wind treiben zu lassen: Und so flog ich und sang durch das unendliche Blau, selbst blau bemalt, so glücklich, bei dir zu sein.

Hier diesen Artikel teilen!
[DISPLAY_ULTIMATE_PLUS]